G088 und G089

Frohmut Dangel-Hofmann, Die Viola, Mitgliederzeitschrift der Deutschen Viola-Gesellschaft e.V., Juli 2006:

W. A. Mozart, Requiem -
Zeitgenössische Bearbeitung für Streichquartett von Peter Lichtenthal

von Frohmut Dangel-Hofmann

Das berühmte Requiem von Wolfgang Amadé Mozart, das bis heute viele Menschen in ganz außerordentlicher Weise berührt, ist keineswegs als abgeschlossene Komposition, sondern als Fragment auf die Nachwelt gekommen; die Bestellung eines Grafen Walsegg für diese Trauermusik hatte den Komponisten im Sommer 1791, mitten in der Arbeit an La clemenza di Tito, erreicht, und bis zu seinem Tod am 5. Dezember des Jahres hatte er nur Teile davon bewältigt.

Schon bald erfuhr der Torso vervollständigende Bearbeitungen, eine der ersten durch F. X. Süßmayr. Bearbeitungen ganz anderer Art dienten nicht der Ergänzung des Unvollständigen, sondern der Verbreitung des Unbekannten, und das nicht nur beim Requiem. In einer Zeit, in der Musik nicht auf Tonträgern fixiert, sondern nur da war, wo man sie auch machte, hatten Arrangements für vom Original abweichende Besetzungen ein viel höheres Ansehen als heute, wurde auf diese Weise doch ein größerer Kreis von Kennern und Liebhabern mit den Schöpfungen der Komponisten vertraut. So gab es z.B. Ariensammlungen (sozusagen die „Highlights“) aus zeitgenössischen Opern für die verschiedensten kammermusikalischen Besetzungen. In anderen Fällen wurde nur auf dem Weg einer solchen „Übersetzung“ eine Musik vor dem Untergang bewahrt: die bekannten Fassungen der Kompositionen Mozarts „für eine Orgelwalze“ (KV 594 und 608) für Klavier zu 4 Händen, wie auch die heute weniger bekannten für Streichquartett sind Beispiele dafür.

In diesem Zusammenhang ist auch die Streichquartettfassung des Requiems zu sehen, die der mozartbegeisterte Peter Lichtenthal im frühen 19. Jahrhundert in Mailand erstellte; er muß auch – neben seinem Arztberuf - ein guter Musiker und ein wirklicher Kenner der Musik gewesen sein. Seine Bearbeitung kursierte handschriftlich durch mehr als eineinhalb Jahrhunderte in professionellen und in Liebhaberkreisen.

Es ist das Verdienst der engagierten Edition Güntersberg in Heidelberg, diese Kostbarkeit nun einer interessierten Öffentlichkeit im Druck zugänglich gemacht zu haben. Der kleine Verlag, der sich mit praktischen Ausgaben bisher besonders der Gambenliteratur annimmt, hat damit zudem einen Schritt in einen neuen Bereich vollzogen. Er tut es auch hier mit der gewohnten Umsicht: Herausgeber und Verlag lassen keinen Zweifel am verantwortlichen Umgang mit der Quelle, das klare Notenbild muß natürlich auf den Charme und das Fluidum der (historischen) Handschrift verzichten, dienliche Anpassungen an den modernen Notensatz aber sind mit großer Behutsamkeit erfolgt.

Die Ausgabe ist in 2 Teilen erschienen: der Stimmensatz ermöglicht die praktische Ausführung, eine Partitur sorgt für den Überblick über den Satz. Sie enthält auch das informative Vorwort (deutsch/englisch), sowie ein Faksimile (den Beginn des Requiem im Part der Viola!), das einen kleinen Eindruck der handschriftlichen Quelle vermittelt. Für eine weitere Ausgabe wäre zu erwägen, ob die Ausstattung mit Vorwort und Faksimile – in altbewährter Praxis - nicht zusätzlich auch dem Part der ersten Violine beigegeben werden könnte.

Die nun hier vorliegende Streichquartettfassung des Mozartschen Requiems darf für viele Quartettspieler als ein hochinteressanter Zugewinn und als eine vorzügliche Bereicherung ihrer musikalischen Unternehmungen gewertet werden; ihr Erscheinen im Jubiläumsjahr ist ein wirklicher Glücksfall.

Edition Güntersberg, Partitur (G088) 18,80 €, Stimmensatz (G089) 24,80 €